Vielfalt ist Trumpf

Weitergehende Informationen zu unserem Projekt „Vielfalt ist Trumpf – Lebensraum für Insekten

Insekten sind die artenreichste aller Tiergruppen. Weltweit sind bisher 1 Millionen Arten beschrieben und es werden noch immer neue Arten entdeckt. In Deutschland leben etwa 33.000 verschiedene Insekten, das sind fast 70% aller heimischen Tierarten. Trotz dieses Artenreichtums nimmt die Menge der Insekten seit einigen Jahrzehnten kontinuierlich ab. Nachgewiesen wurde das durch die sog. „Krefelder Studie“. Ehrenamtliche Insektenkundler vom Entomologischen Verein Krefeld sammelten von 1989 bis 2016 in insgesamt 63 Naturschutzgebieten in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Brandenburg Insekten und bestimmten deren Masse. In nur 27 Jahren nahm die Gesamtmasse der Insekten um 76 % ab.
Aber nicht nur die Masse nimmt ab, auch die Artenvielfalt. Viele Insekten stehen auf der Roten Liste, weil sie vom Aussterben bedroht sind.
Dabei sind Insekten sehr wichtig für das gesamte Ökosystem. Zum einen sind sie Futter für Vögel, Fledermäuse und andere kleine Säugetiere, die sich von ausgewachsenen Insekten, Raupen, Maden und Larven ernähren. Zum anderen sind sie wichtige Bestäuber. Die meisten Wildblumenarten und ca 75% aller Nutzpflanzen sind auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Und dann gibt es noch die sogenannten „Destruenten“, das sind Insekten die Laub, Totholz, Aas und Kot fressen und gemeinsam mit anderen Lebewesen in Humus verwandeln.

Insekten sind faszinierende Lebewesen. Allen gemeinsam ist der Körperbau, der sich in den Kopf mit den Sinnesorganen, die Brust an der die 3 Beinpaare befestigt sind und den Hinterleib gliedert. Alle Insekten haben am Kopf zwei Fühler die wichtige Sinnesorgane sind. Sie dienen als Tastorgan und werden zum Riechen genutzt. Manche Insekten können bestimmte Stoffe, z.B. den Sexualduftstoff eines Weibchens, über Kilometer hinweg riechen. Die Mundwerkzeuge sind an die Lebensweise angepasst. Räuberisch lebende Insekten haben oft Zangen mit denen sie die Beute greifen und zerteilen können, Bienen und Schmetterlinge haben einen Rüssel mit dem sie Nektar aus den Blüten saugen können.

Manche Insekten sehen nach dem Schlüpfen aus dem Ei den ausgewachsenen Tieren schon sehr ähnlich. Im Lauf ihres Lebens häuten sie sich mehrmals bis sie ausgewachsen sind. Viele Insekten durchlaufen aber eine Metamorphose, eine vollkommene Verwandlung. Ihre Lebensweise ist in 3 streng geteilte Phasen unterschieden. Die erste Phase ist ein Fressphase, in der die Larve oder Raupe nichts tut als fressen. Sie besteht fast nur aus einem einfachen Kopf mit Mundwerkzeugen und einem Darm. Dann folgt eine Ruhephase, das Puppenstadium. In dieser Zeit wird die Larve vollkommen umgebaut. Wenn der Umbau beendet ist schlüpft ein Insekt, ein Käfer, eine Biene, eine Wespe, eine Fliege, ein Schmetterling, das völlig anders aussieht als die Larve. Diese Lebensphase dient ausschließlich der Fortpflanzung. Manche Insekten nehmen in dieser Zeit noch nicht mal Nahrung zu sich. Diese haben völlig verkümmerte Mundwerkzeuge.


Die Besonderheiten der Insekten wurden von Ethel Jacobson in ein Gedicht gefasst:

Insekten besitzen drei Paar Beine.
Richtige Blutgefäße haben sie keine.
Während die Knochen sonst innen liegen,
liegt ihr Skelett außen; sie schwimmen und fliegen,
ihr dreiteil’ger Leib ist behaart oder kahl,
ihr Herz liegt hinten, für sie so normal wie
dass sie Millionen von Eiern legen, und atmen
indem sie sich rhythmisch bewegen.
Die Fühler werden fürs Riechen gebraucht,
die Füße zum Schmecken ins Essen getaucht –
und wirklich erstaunlich, was ihnen so schmeckt:
Eine Blume oder ein andres Insekt,
mal werden Mäntel und Holz benagt,
ein Teppich zerkaut oder Menschen geplagt…
Sie fressen, wobei sie selbst uns nicht verschonen,
und zählen ganz sicher hundert Trillionen!
Alles wird täglich von ihnen zersiebt, ein Wunder,
dass es die Welt noch gibt!

(Zitiert nach Dave Goulson, Das Summen in der Wiese, Ullstein 2018)

Die überwiegende Mehrheit der Wildbienen bilden im Gegensatz zu Honigbienen und Hummeln keine Staaten. Man nennt sie deshalb auch Solitärbienen oder Einsiedlerbienen. Das Weibchen alleine legt die Brutzellen in den Nistplätzen an. In jede Zelle trägt es Nektar und Pollen ein, legt dazu ein einziges Ei und verschließt die Zelle. Damit die Zellen, die in den meisten Fällen ein ganzes Jahr überdauern müssen bis eine neue Biene schlüpft, nicht durch die Witterung leiden, werden sie je nach Art „tapeziert“. So kleiden z.B. Blattschneiderbienen die Zellen mit gerbsäurehaltigen Blättern aus, Seiden und Maskenbienen stellen aus dem Sekret der Hinterleibsdrüse eine Seidentapete her, Sandbienen durchtränken die Zellwände mit Speicheldrüsensekret, Harz- oder Wollbienen nutzen Pflanzenwolle und Harz.
Einige wenige Arten benutzen ein gemeinsames Nest in dem sie jedoch je nach Art nur die eigenen Brutzellen anlegen und versorgen oder gemeinsam Brutpflege betreiben.
Nester werden je nach Art im Boden angelegt, in morschen Holz, in vertrockneten Pflanzenstängeln, in leeren Schneckenhäusern, in bereits vorhandene Hohlräumen wie z.B. Fraßgänge in Holz, Bohrlöcher von Käfern oder Holzwespen. Diese Fraßgänge oder Bohrlöcher sind Vorbild für künstliche Nisthilfen. In ihnen werden reihenförmigen Brutzellen angelegt. In jede Brutzelle wird ein Ei und Nektar und Pollen als Nahrungsvorrat für die Larve gelegt. Dann wird die Zelle verschlossen und davor eine weitere Zelle angelegt, bis die Röhre insgesamt befüllt ist. Das Ende wird besonders verstärkt.

Hummeln unterscheiden sich von Wildbienen durch die Staatenbildung. Im Frühjahr sucht das bereits im Vorjahr begattete Weibchen, die zukünftige Königin, nach einem geeigneten Nistplatz. Dort legt sie die ersten Eier, die im Larvenstadium von ihr selbst mit Nahrung versorgt werden. Die neu heranwachsenden Hummeln sind Arbeiterinnen, sie sind unfruchtbar. Sie sammeln Nektar und Pollen, bauen Brutzellen, verteidigen das Nest und versorgen die Brut. Eier legt nur die Königin. Hummelstaaten bestehen je nach Art aus 30 bis 600 Arbeiterinnen. Gegen Ende des Hummeljahres entwickeln sich aus unbefruchteten Eiern männliche Hummeln, die Drohnen, und aus befruchteten Eiern neue Jungköniginnen. Drohnen und Jungköniginnen verlassen das Nest und paaren sich. Nur die Jungköniginnen überwintern in einem Versteck. Alle anderen Individuen sterben. Im Frühjahr beginnt der Zyklus von neuem.

Vergleichbare Lebenszyklen wie Wildbienen und Hummeln haben Wespen. Unter Ihnen gibt es Arten die Staaten bilden und Arten die solitär leben. An Nisthilfen stellen sich oft auch solitär lebende Wespenarten ein. Am Nistverschluss kann man verschieden Arten von Wildbienen und Wespen unterscheiden.

Lochdurchmesser
Verschluss
GattungArtKörperlänge
12-25 mm, zurückgesetzt, glatt mit milchigem HäutchenPelzbienenAnthophora plumpides14-15 mm
2-7 mm, glatter Mörtel, evt. mit HolzfaserschichtLehmwespenAncistrocerus spec. 8-15 mm
2-7 mm, glatter Mörtel, evt. mit HolzfaserschichtLehmwespenSymmorphus spec.9-15 mm
3-6 mm, rauher Mörtel aus LehmTöpfer-GrabwespeTrypoxylon spec.6-12 mm
5-7 mm, rauher Mörtel aus LehmMauerbienenOsmia bicornis9-12 mm
6-10 mm, rauher Mörtel aus LehmMauerbienenOsmia cornuta6-10 mm
3-5 mm, harter, dunkler Mörtel, oft mit Steinchen, später schwarzScherenbienenChelostome florisommne7-11 mm
3-5 mm, harter, dunkler Mörtel, oft mit Steinchen, später schwarzScherenbienenChelostome rapunculi8-10 mm
4-5 mm, Mörtel aus zerkauten Blättern, erst grün, dann dunkelbraunMauerbieneOsmia caerulescens8-19 mm
2,5-4 mm, Harz mit SteinchenLöcherbienenHerades truncorum6-7 mm
2-4 mm Harz auch mit Spänen oder BohrmehlBlattlaus-GrabwespenPassaloecus spec.diverse
4-6 mm, Blattstücke, erst grün dann braunBlattschneider-BienenMegachile centuncularis9-12 mm
4-6 mm, Blattstücke, erst grün dann braunBlattschneider-BienenMegachile rotundata6-8 mm
2,5-4 mm, transparent-seidiges SekrethäutchenMaskenbienenHylaeus spec.5-7 mm
5-6 mm, transparent-seidiges Häutchen, ca 15 mm hinter der ÖffnungSeidenbienenColletes daviesanus8-9 mm

In dem Bilderbuch von Leo Lionni „Die kleine Raupe Nimmersatt“ werden die Lebensphasen eines Schmetterlings und das Wunder der Metamorphose dargestellt. Am Anfang ist das Ei, dann folgt die Raupe, die nichts tut als Fressen, es folgt ein Verpuppungsstadium und dann schlüpft der Schmetterling. Nach erfolgter Begattung beginnt mit der Eiablage der Zyklus erneut.

Die meisten Schmetterlinge überwintern als Raupen, einige als Ei oder als Puppe. Nur 5% aller Schmetterlingsarten überwintern als Falter. Dazu gehört der Zitronenfalter. Damit die Falter in dieser Zeit nicht erfrieren haben sie Glyzerin im Körper eingelagert. Dieses schützt ihre Köperflüssigkeit vor dem Gefrieren. Zitronenfalter sind dadurch mit die ersten Falter, die man im Jahr sieht.

Zugvögel kennt jeder, dass aber auch Schmetterlinge beachtliche Flugleistungen vollbringen ist wenig bekannt. Der Distelfalter zählt zu diesen Wanderfaltern. Er fliegt alljährlich aus dem Mittelmeerraum zu uns. Auch der Admiral kommt jährlich aus dem Mittelmeerraum und Nordafrika nach Mittel- und Nordeuropa. Manche Tiere fliegen sogar bis an den Polarkreis. Beide vermehren sich hier und ihre Nachkommen fliegen im Herbst zurück in den Süden.

Einen besonders komplizierten Lebenssyklus haben die Ameisen-Wiesenknopf-Bläulinge. Nach der Begattung erfolgt die Eiablage nur an den sich gerade öffnenden Blüten des großen Wiesenknopfs. Die Raupe frisst einige Tage an der Blüte und lässt sich dann zu Boden fallen. Von dort wird sie von Knotenameisen nicht etwa als Futter in das Ameisennest getragen, sondern als Honigspender, denn sie gibt aus eine Honigdrüse am Hinterleib süßen Saft an die Ameisen ab. Im Nest ernährt sie sich, als Honigspenderin getarnt, von den Larven der Knotenameise. Dort verbringt sie die ganze kalte Jahreszeit. Auch die Verpuppung erfolgt im Ameisennest. In dieser Zeit kann sie keinen Honigsaft abgeben. Vermutlich überlebt sie nur, weil sie Duftstoffe abgibt, die die Ameisen davon abhalten sie zu verzehren. Nach Abschluss der Metamorphose muss der Schmetterling so schnell wie möglich das Nest verlassen, damit er nicht von den Ameisen gefressen wird. Erst an der Erdoberfläche pumpt er seine Flügel auf, und der Lebenszyklus beginnt von neuem.

Parasitisch lebende Insekten bauen keine eigenen Nester sondern legen ihre Eier in fremden Nestern ab, so wie es bei den Vögeln der Kuckuck macht. Er ist auch Namensgeber für die Kuckucksbienen, die ihre Eier in die Nester von Wildbienen eintragen. Sie beobachten das Wirtsnest und nutzen die Abwesenheit der Wildbienen für die eigene Eiablage. Dabei ist jede Kuckucksbienenart an eine bestimmte Wildbienenart gebunden.

Schlupfwespen, Goldwespen und Woll- oder Trauerschweber leben ebenfalls parasitisch und sind oft an Nisthilfen zu entdecken.
Die Eiablage erfolgt mit unterschiedlichen Techniken. Schlupfwespen bringen ihre Eier mit Hilfe eines langen Legebohrers, mit dem sie auch durch Holz bohren können in fremde Nester unter. Trauerschweber schleudern ihre Eier im Schwebeflug vor Niströhren in das Nest. Allen ist gemeinsam, dass entweder der Parasit das vorhanden Ei zerstört und es durch ein eigenes ersetzt, oder die geschlüpfte Larve des Parasiten tötet das Ei und die Larve ernährt sich dann vom fremden Nahrungsvorrat.

Manche Insekten, sogenannte Nützlinge, werden im Obst- und Gemüsebau, im Weinbau oder der Landwirtschaft gezielt eingesetzt. Dazu zählen insbesondere Schlupfwespen, die sehr effektiv die Eigelege verschiedener Falter parasitieren und damit die Menge der ausschlüpfenden Raupen deutlich reduzieren. Gegen Blattläuse werden oft räuberische Gallmücken oder Florfliegen eingesetzt. Die Larven der Florfliegen werden auch „Blattlauslöwen“ genannt. Sie leben etwas 2 bis 3 Wochen und verzehren in dieser Zeit mehrere hundert Blattläuse. Hummeln werden zur besseren Bestäubung in Gewächshäusern angesiedelt.

Lebensraum für Insekten im Garten schaffen

Ein Hartholzblock mit sauberen Bohrlöchern in unterschiedlichen Durchmessern, quer zur Faser gebohrt, wird von verschiedenen Wildbienen gerne angenommen. In einem Bohrloch werden mehrere Brutzellen angelegt. Wenn entsprechende Nahrungspflanzen vorhanden sind, lassen sich dort Wildbienen gut beobachten.
Da Wildbienen Nektar und Pollen für sich und ihre Brut benötigen und nur zu bestimmten kurzen Zeiten im Jahr fliegen, ist ein ganzjähriges Blühangebot nötig. Viele Wildbienen sind oligolektisch, d.h. sie ernähren sich nur vom Nektar bestimmter Pflanzen, so z.b. die Glockenblumen-Scherenbiene oder die Hahnenfußlöcherbiene. Wenn wir Wildbienen schützen wollen, müssen wir auch einheimische Wildkräuter schützen.
Eine Wasserstelle im Garten wird nicht nur von Vögeln, sondern auch von Insekten genutzt. Bienen und Wespen lassen sich dort beobachten.
Wer Wildbienen in seinen Garten ansiedeln will findet viele Informationen und Anregungen in der BUND „Broschüre Wildbienen ein Zuhause geben“. Man findet sie unter:
www.bund-rlp.de/service/publikationen/detail/publication/wildbienen-ein-zuhause-geben/

Ein Garten muss nicht überall aufgeräumt sein. Gerade in „unordentlichen Ecken“ bilden sich oft verschiedene Kleinbiotope mit heimischen Pflanzen, die von vielen Insekten besiedelt werden. In solchen Ecken kann auch Totholz herumliegen, denn Totholz ist eine wichtiger Lebensraum für viele Lebewesen.
Kurz nachdem ein Baum abgestorben ist, befinden sich unter seiner Borke, dem Bast und im Splintholz noch eine Menge energiereiche, leicht abbaubare, organische Verbindungen. Diese sind eine attraktive Nahrungsquelle für die sogenannten „Erstbesiedler“, darunter viele Käferarten wie Bock- und Borkenkäfer, aber auch Holzwespen und andere im und vom Holz lebende Arten. Bohrmehl, Kot, Häutungsreste und tote Insekten reichern das Holz mit Nährstoffen an und locken weitere Holzbesiedler an. Während die Zersetzung nach und nach weiter fortschreitet, dient das Totholz einer großen Zahl von Tieren und Pflanzen als ideale Nist-, Entwicklungs-, Nahrungs- oder Überwinterungsstätte. Außerdem bietet es Schutz vor Fressfeinden. Viele dieser Totholzliebhaber stehen auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Sobald vom Holz nur noch Mulm, Kot und Reste der Vorbesiedler übrig sind, folgen typische Organismen der Bodenfauna wie Milben, Würmer und Asseln. Sie zerkleinern die einzelnen Partikel so lange, bis Pilze und Bakterien die endgültige Zersetzung und Verwandlung zum Humus abschließen.


Quellen:

– Lebensraum Totholz auf www.deutschewildtierstiftung.de, Internetzugriff am 05.06.2023
– Müller/Krebs/Amiet, Bienen, Naturbuchverlag1997
– Hintermeier, Bienen, Hummeln und Wespen im Garten und in der Landschaft, Obst- und Gartenbauverlag München 2002
www.wildbienen.de